
Neben Fight ist die andere sehr auf eine körperliche Aktivität ausgelegte Reaktion der Flight-Modus. War in der Urzeit ein Kampf gegen die Bedrohung nicht möglich, blieb dem Menschen nichts anderes übrig, als so schnell wie möglich weg zu laufen. Stell dir vor, du bist im Wald unterwegs und siehst plötzlich im Augenwinkel etwas langes, dunkles auf dem Boden. Im ersten Moment machst du einen großen Satz zur Seite. Und erst im nächsten Augenblick erkennst du, dass es keine Schlange, sondern ein Ast auf dem Boden ist. Diese Körper-Reaktion entscheidet im Fragfall, ob dich die Schlange erwischt oder nicht. Je nach Kontext ist diese Reaktion also bis heute sinnvoll. Lass uns also mal zusammen die verschiedenen Bereiche ansehen, wie sich der Flucht-Modus so zeigt.
Was passiert auf der biologischen Ebene?
Der Hormon-Cocktail in Stress-Situationen, die eine Fluchtreaktion (FLIGHT) auslösen ist im Grundsatz der gleiche wie bei den anderen Stress-Reaktionen. Nur, dass eben dieses Mal die Energie anders im Körper umgesetzt wird. Das Weglaufen benötigt ebenso extrem viel Energie wie der Kampf. Wusstest du eigentlich, dass neben den Hormonen Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol auch Endorphine ausgeschüttet werden? Ja, du hast richtig gelesen. Endorphine sind dir vielleicht als Glückshormone bekannt. Sie haben den Nebeneffekt, dass sie dich weniger empfindlich gegen die hohe Belastung machen und gleichzeitig schmerzlindernd und beruhigend wirken. Schwer vorstellbar? Versetz dich mal in die Lage, dass du den Säbelzahntiger besiegt hast, oder es geschafft hast, dich in Sicherheit zu bringen. Die Freude und Erleichterung sind buchstäblich greifbar, oder?
Wie zeigt sich der Flucht-Modus heute?
Neigst du eher zum Flight-Modus, dann ist dein Ziel den Konflikten aus dem Weg zu gehen. Dazu gehören auch Verantwortung, negative Gedanken und Emotionen. Du versuchst so schnell wie möglich Distanz zwischen dich und das Problem zu bringen. In Stress-Momenten bist du um keine Ausrede verlegen und wenn du eher zu proaktivem Coping neigst, dann bist du ein Perfektionist, wie er im Buche steht. Du bist für alle Eventualitäten gewappnet und bist oft fast schon chronisch beschäftigt. Wenn du dich mit Arbeit ablenkst, läufst du Gefahr zum Workaholic zu werden. Aber auch auf der Beziehungsebene fällt es dir schwer verbindlich zu sein. Kontaktabbruch und wechselnde Beziehungen sind dann keine Seltenheit.
Warum hat sich diese Coping-Strategie bei dir angelegt?
Du warst als Kind Situationen ausgesetzt, in denen du dich gerne zurück gezogen hättest, aber nicht gehen konntest oder durftest. Den Launen anderer (später dem Stress) ausgesetzt zu sein vermittelt dir ein Gefühl von fehlender Akzeptanz, Liebe und Sicherheit. Auch wenn es dir in diesen Situationen damals nicht gut ging, blieb in dir die Angst, verlassen zu werden. Über den Versuch „perfekt sein“ und „besonders lieb“ sein zu wollen, willst du dafür sorgen, dass du nicht verlassen wirst und andere keinen Grund haben, dich zu kritisieren. Was bisweilen ambivalent wirkt, macht durchaus Sinn, wenn man die Abhängigkeit eines Kindes von seinem Umfeld berücksichtigt. Liebe und Schutz durch die Familie bedeuten für das Kind Sicherheit und Überleben. In Konflikt- und Stress-Situationen sieht sich das Kind in seiner Sicherheit und damit in seinem Überleben bedroht. Aus Sicht des Kindes können diese Situationen also durchaus traumatisch sein, was aus Erwachsenen-Sicht nicht unbedingt nachvollziehbar sein muss. Was bleibt ist, dass du versuchst Stress-Situationen vorzubeugen oder falls es doch dazu kommt, davon zu laufen und dich vor weiteren Konfrontationen zu drücken.
Gängige Erscheinungsformen:
- Perfektionismus – Konflikt-Prävention
- Süchte (Alkohol, Medikamente, Drogen)
- Ablenkung durch exzessives Training, Shoppen, Zocken, Essen, Sex…
- z. T. Adrenalin-Junkies
- Chronische Beschäftigung – Workaholic
- Hyperaktivität
- Ängste und Zwänge
- sich aktiv vor Konflikten drücken
- Probleme mit Kritikfähigkeit
- Ghosting
- Kontaktabbruch und Bindungsprobleme
- Verlustängste
- Körpersprachlich: Nicht still sitzen können, ständig mit dem Fuß wippen (Weglaufreflex)
- Mentaler Rückzug (Achtung: Kann z. B. im Urlaub durchaus als funktional eingestuft werden)
- Verhaltens-Rückzug (Achtung: Bewusst eingesetzt zur Selbstfürsorge ebenfalls funktional!)
Was du für dich selbst tun kannst:
Da die Flight-Reaktion sehr auf die körperliche Aktivität ausgerichtet ist, hilft den meisten eine körperliche Betätigung. Idealerweise etwas, was dich unterstützt deine Muskulatur und deinen Geist zu entspannen. Langsame Bewegungen wie im Yoga oder Qigong, aber auch Breathwork und kreative Tätigkeiten, die erdend wirken (malen, musizieren, singen) können dir helfen.
Und noch ein kleiner Tipp zum Schluss:
Da die emotionale Bindung zu anderen Menschen und Verlustangst ein großes Thema für dich ist, beschäftige dich damit. Pflege Freundschaften und Partnerschaften, wenn du damit Schwierigkeiten hast, scheue dich nicht, dir professionelle Hilfe zu suchen. Das Gefühl von einer sicheren Verbindung auf der Herzebene ist es absolut wert. Auch wenn die Ursache für deine Probleme in der Vergangenheit liegen, hast du heute als Erwachsener andere Möglichkeiten und Ressourcen zur Verfügung. Nutze sie.
Hier es weiter mit der dritten Trauma-Reaktion: FREEZE!
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