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TRAUMATA – die Merkmale

Auch wenn der Begriff Trauma (Plural: Traumata oder Traumen) inzwischen in der Umgangssprache beinahe inflationär verwendet wird, bleibt der Leidensdruck für die Betroffenen und das oft mangelnde Verständnis des Umfeldes ungebrochen hoch. Das Trauma (aus dem altgriechischen für Wunde, Plural: Traumata oder Traumen) bezeichnet dabei in der Psychologie eine psychische, seelische oder mentale Verletzung, die auf verschiedene Ereignisse zurück gehen kann und mit einer tiefen Erschütterung in der Psyche einhergeht (eine ausführlichere Definition findest du unter bei Wikipedia: Trauma (Psychologie).

Merkmale eines Traumas

Ein wesentlicher Teil, der das Erleben einer Situation traumatisch macht, ist, dass der Stress-Auslöser und die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmöglichkeiten extrem auseinander klaffen. Das hinterlässt bei den Betroffenen ein Gefühl von Überforderung, Hilflosigkeit und schutzloser Auslieferung. Das Selbst- und Weltbild werden dabei dauerhaft erschüttert.

Kategorien

Um ein Trauma besser einschätzen zu können, wird in Typ I und Typ II Traumata unterschieden:

Typ I Trauma: einmalig oder kurzfristig, zeitlich klar abgegrenztes Ereignis (auch Schock- oder Monotrauma)

  • durch Menschen: z. B. sexueller Übergriff, körperliche oder kriminelle Gewalt
  • durch Unfall: Verkehrsunfall, Naturkatastrophe

Typ II Trauma: wiederholt oder langfristig, zeitlich nicht klar abgegrenzt (auch Entwicklungs- oder Multitrauma)

  • durch Menschen: langanhaltende oder wiederholte sexuelle und / oder körperliche Gewalt, Kindesmisshandlung, Kriegserleben, Folter, politische Haft
  • durch Unfall: lange andauernde Katastrophen

Bei den durch Unfall eingetretenen Situationen wird bei der Kategorisierung von Zufall und fehlender Beeinflussbarkeit durch den Menschen und bei den durch Menschen verursachten Situationen von Vorsatz ausgegangen. (Quelle: Wikipedia: Trauma (Psychologie))

Je schwerer die Belastung (Ausmaß oder Anzahl der Toten) und je länger die Dauer, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Betroffenen eine Traumafolgestörung entwickeln. Durch Menschen zugefügte Trauma oder Typ II Traumata führen deutlich öfter zur Entwicklung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder zu einer komplexen PTBS (kPTBS),damit ist gemeint, dass sich verschiedene traumatische Situationen abwechseln und / oder kumulieren.

Trauma als Sammelbegriff

So hat sich der Begriff des Traumas als Sammelbegriff für das Leid der Opfer geprägt, egal ob es dabei um das Überleben von Katastrophen, Kriegen, Terrorismus, Verfolgung, Flucht, Folter, Unterdrückung, Fanatismus, Haft, Zerstörung, emotionaler / seelischer / sexueller / physischer  Gewalt, medizinische Operationen, Geburtserleben oder Unfälle, aber auch Mitgliedschaft in Sekten oder mafiösen Strukturen, den Verlust von geliebten Menschen (durch Tod oder Trennung) oder um ausgeprägte Vernachlässigung in der Kindheit (emotional / körperlich – Kindheitstrauma) geht.

Man versucht das Trauma durch Erklärung und Kategorisierung greifbarer und verständlicher zu machen. Aber auch wenn die Definition trotzdem irgendwie schwammig bleibt, so ist die Errungenschaft der letzten Jahre die Anerkennung, dass selbst wenn man körperlich unversehrt geblieben ist, Geist und Seele Schaden nehmen können.

Die persönliche Verarbeitung von Erlebtem

Wenn man sich mit der Thematik der Traumata beschäftigt, stellt man sich unweigerlich die Frage: Warum trifft es manche Menschen mehr, als andere? Obwohl sie das Gleiche erlebt haben. Ein wesentlicher Faktor ist das innere Erleben. Besteht der Glaube daran, dass Rettung kommt und Hoffnung besteht? Oder ist man bereits von der Todesangst überwältigt? Das Gefühl sich ausgeliefert zu fühlen, gepaart mit Entsetzen, Hoffnungslosigkeit, Überforderung und Einsamkeit hat einen enormen Einfluss auf den Stresspegel und die gekoppelte Hormon-Ausschüttung. Ob ein Mensch aber in der Folge psychische Auffälligkeiten oder sogar eine Störung entwickelt hängt meist von den persönlichen Bewältigungsmöglichkeiten und einigen anderen Faktoren ab wie z. B.

  • Reaktion des sozialen Umfelds z. B. alle tun so, als sei nichts geschehen, absichtlich weg sehen
  • Alter und Reife der eigenen Persönlichkeit oder bereits vorhandene Vorbelastung (Kindheitstrauma, Kriegskind,…)
  • Dauer und Wiederholung
  • alle drei Gewaltarten: psychisch, körperlich, sexualisiert
  • Gewalt durch Bezugsperson / Bindungsperson, Bindungsverrat
  • Opferumkehr, dem Opfer wird die Schuld in die Schuhe geschoben
  • Sadismus
  • Geplante Taten, Vorsatz

Traumata und die Gesellschaft

Etwas, was mich persönlich immer wieder entsetzt sind die kursierenden (Vor-)Urteile über Menschen mit Trauma. Das reicht von „die stellt sich nur wieder an“ bis „der will sich doch nur vor der Arbeit drücken“ oder „sei nicht so empfindlich, so schlimm war es jetzt auch wieder nicht“. Trauriger Weise sind Traumata als Folge von großen, öffentlichen Ereignissen (Kriege, Naturkatastrophen, Terroranschläge wie z. B. am 11. September 2001 auf das World Trade Center) gesellschaftlich viel anerkannter und man ist eher bereit den Opfer nachsichtig zu begegnen und ihnen die Hilfe zuzugestehen, die sie benötigen.

Etwas, was die meisten Opfer gemeinsam haben ist, dass sie nicht gerne über ihre Erfahrung sprechen, weil das beinhaltet, dass sie ihre schlimmsten Momente nochmal durch leben müssen. Dabei zeigt die Erfahrung, dass gerade das Erlebte zu kommunizieren bei der Verarbeitung helfen kann. Idealerweise im Gespräch mit Menschen, die einen Bezug dazu haben und somit verstehen, ohne zu urteilen. Das ist übrigens der Grund, warum Selbsthilfegruppen funktionieren. Für die Opfer ist es essentiell, dass sie Unterstützung aus dem sozialen Umfeld erhalten und ihre Situation als Opfer anerkannt wird.

Symptome

Die Symptome stellen Versuche der Psyche dar, durch hin und her pendeln zwischen Konfrontation (Auseinandersetzung) und Konstriktion (Rückzug oder Vermeidung) das Trauma aufzulösen /zu verarbeiten. In der Psychologie werden diese Symptome in drei Gruppen eingeteilt.

  • Intrusive Symptomatik: Damit sind wiederholte, unausweichliche Erinnerungen und Gedanken an das Ereignis gemeint, bis hin zu einer zwanghaften Beschäftigung damit (z. B. Flashbacks, Tagträume, Alpträume). Durch Schlüsselreize (Trigger) kann ein Wiedererleben der Ereignisse ausgelöst werden, was unverhältnismäßig heftige Reaktionen auslösen kann z. B. Panikattacken
  • Konstriktive Symptomatik: Ein konstriktives Verhalten bezeichnet den Rückzug in sich selbst, in die eigene innere Welt. Darunter fallen u. a. Dissoziation, Depersonalisation, Derealisation (siehe FREEZE), Verdrängung bis Amnesie, emotionale Taubheit, Vermeidungsverhalten gegenüber allem, was an das Ereignis erinnern könnte (Personen, Orte, Gefühle, Schlafvermeidung aus Angst vor Alpträumen). Aber auch die Unfähigkeit über das Erlebte zu sprechen und zwanghafte Versuche neue Traumata zu verhindern (immer das Schlimmste annehmen) machen den Umgang mit Traumatisierten insbesondere für das enge Umfeld schwierig.  
  • Übererregung (Hyperarousal): Hyperarousal ist die Folge von intrusiver und konstriktiver Symptomatik. Es ist eine chronischen Dauerstressreaktion. Die physiologische Stressreaktion in einer akuten Gefahrensituation löst den Kampf-oder-Flucht-Modus aus, der sich normalerweise innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden nach dem belastenden Ereignis wieder abbaut. Wurde das Trauma nicht verarbeitet, läuft die Stressreaktion permanent weiter, egal ob aktuell Gefahr droht oder nicht. Die ständige Präsenz von Stress-Hormonen geht in der Regel mit physiologischen Symptomen einher: Übelkeit, Herzrasen, Schwindel, Zittern, Schreckhaftigkeit, Verspannungen, Schlafstörungen, Hypervigilanz, Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisprobleme, Reizbarkeit und stark kontrollierendes Verhalten wenn das Trauma mit als Kontrollverlust erlebt wurde.

Spontan Remission

Man spricht von einer spontanen Remission, wenn sich die Symptome nach einiger Zeit von selbst zurück bilden. Ob das möglich ist, hängt meist von der Art und Dauer des Traumas, sowie von der Schwere, Vorbelastung und der persönlichen Resilienz ab. Ist eine Spontan Remission nicht möglich, bilden sich mit der Zeit (z. T. erst nach Monaten oder Jahren) die sogenannten traumabedingten Folgestörungen heraus. Die Forschung hat in den letzten Jahren gezeigt, dass dies mit veränderten Hirnaktivitäten und neuro-anatomischen Veränderungen einher gehen kann.

Hilfe für Betroffene

Wenn du bis hier gelesen hast, dann wahrscheinlich, weil du auf der Suche nach Hilfe für dich selbst, oder für einen dir nahe stehenden lieben Menschen bist. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass die Möglichkeiten zur Hilfe sich in den letzten Jahren extrem verbessert haben. Immer mehr Psychologen und Therapeuten setzen sich mit den neuen Erkenntnissen der Forschung und Weiterentwicklungen der Therapieformen auf diesem Gebiet auseinander. Welche Methoden zur Anwendung kommen hängt immer auch von der Art und Schwere des Traumas ab. Aber egal welche Therapieform gewählt wird, eine Re-Traumatisierung sollte unbedingt vermieden werden. Methoden wie z. B.

  • Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)
  • kognitive Verhaltenstherapie
  • Somatic Experiencing (SE) nach Peter Levine
  • NeuroAffective Relational Model (NARM) – Neuroaffektive Beziehungsmodell zur Heilung von Entwicklungstrauma
  • Neurofeedback
  • Psychodynamische imaginative Traumatherapie – nach Luise Reddemann)
  • Ego-State-Therapie

werden je nach Bedarf miteinander kombiniert.

Warum ich hier so ausführlich auf die Thematik eingehe obwohl ich kein Therapeut oder Psychologe bin?

Eine der wichtigsten Aufgaben als Mentorin oder Coach ist für mich, meine Grenzen zu erkennen. Und dazu muss ich eben auch erkennen können, wenn ich einen traumatisierten Menschen vor mir sitzen habe. Und gerade bei der Arbeit mit Aufstellungen oder im Mentoring fallen mir doch immer wieder Anzeichen auf, die ich dann beobachte und gegebenenfalls auch zur Sprache bringe. Ich habe inzwischen durchaus Erfahrung mit leichteren Fällen, ebenso habe ich in den letzten Jahren verschiedene Menschen parallel zu ihren Therapien begleitet. Ob ich also für dich der richtige Ansprechpartner bin und wenn ja, in welcher Form, oder ob du bei einem Psychologen besser aufgehoben bist, lässt sich im persönlichen Kontakt herausfinden. Hier geht es zum Kontaktformular.  

Quellen und Literaturempfehlungen:

  • Wikipedia: Trauma (Psychologie)
  • Lehrbuch der Psychotraumatologie – Fischer und Riedesser
  • The Wisdom of Trauma, Dokumentarfilm – Gabor Maté, USA 2021
  • Trauma – Die verwundete Seele. Teil I: Frühkindliche Traumatisierungen. In: Rätsel des Unbewußten. Podcast zur Psychoanalyse und Psychotherapie (Folge 34) – Cécile Loetz, Jakob Müller 
  • Trauma – Die verwundete Seele. Teil II: Posttraumatische Störungen. In: Rätsel des Unbewußten. Podcast zur Psychoanalyse und Psychotherapie (Folge 35) – Cécile Loetz, Jakob Müller 
  • Die Erfindung des Traumas. Verflochtene Geschichten – David Becker
  • Verkörperter Schrecken: Traumaspuren in Gehirn, Geist und Körper und wie man sie heilen kann – Bessel van der Kolk

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